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Monatsthemen und Gewinner*innen

15-20 Jahre

Unsere Gewinner*innen im Mai 2018

Wettbewerb im Mai 2018

Wir gratulieren unseren sechs Gewinner*innen zum Mai-Thema „Der Morgen war von heller Röstung“! Von uns gab es Guy Helmingers Gedicht "Vor der Tasse" und eine Kaffeekanne aus dem Lëtzebuerg City Museum, von euch eine Menge Kaffee!

 

Kaffeekapitalist

Rosa Di Nardo
2001

verführerisch. Ein Geruch lädt ein
verweile, du bist sicher.
vergiss dein Zuhause,
das gibt es nicht mehr.
Müdigkeit in den Gliedern.
Das erst Licht des Tages

schon liegen sie mir in den Ohren, die Vögel der Stadt
mit ihren Hupen und Klingeln, sachte, nein, schwellen
sie an, die Rufe nach
Freiheit.
Die Menschen rauschen.
Eine dunkle Welle

der Kaffee ist es, der lügt.
bitter. Ein Geschmack so anders
als erwartet.
Was habe ich mir gedacht?
Wer weckt mich auf, das Dunkel der Stadt.
Eifriges Proletariat mit ihm, sie müssen wachen, wollen glauben
Menschen sind es, die sich betrügen lassen.

Braunes Teufelszeug, das uns die Arbeiter erhält,
als Instrument der Bourgeoisie?
ein langer Weg
aber nein, Revolutionen, die sind
machtfokussiert. Ein Schluck von
meinem Becher.
Ein irritierter Blick.
Doch, heute trinke ich Kaffee, um allen zu zeigen,
Ich bin der Kapitalismus,
Fürchtet euch nicht!

Flucht

Ruta Dreyer
2002

das Bundesministerium für
fichtenbäume; gespalten, absor-
biert, hal-
biert, hallt der Horror aus dem
Fernsehen in zwei-drittel-takten Es stehen unbewegliche
Lotusblumen; hier abruf-bar
der anti-christ, eine kontrollinstanz?
Sie haben dir viel erzählt
saugen Mit langen Ohren die
wirtschaftlichen potenziale einer effektiven
fusionskontrolle - zwischen
zukunftsfähigen regeln für Sadistenrap; ich aber
verhänge die fenster fülle das Vakuum
mit dem bitteren Geruch des Kaffees

oh erquicke mich bitte

eiseskälte

Nora Hofmann
2000

seit du dich entwirbelt hast verdimmst du zu langsam.
an rudimentären monumenten fallen meine augen im aerosol,
dem widerhall deiner eingefallenen vokale.

man weiß, dass sich dein traumfänger schon längst
von deiner hülle abgeschält hat;
da, wo du jetzt bist zerbröseln deine tastmuskeln die
dunklen stellen ohne narbenbildung/
ich berge noch immer den schutt des danachs.

meine hände tauen nicht auf, wenn ich nach hause gehe.
das heimkommen ist ein irren in der fremde
es zieht durch die geschlossenen fenster
einen briefkasten gab es dort noch nie.
wenn ich die wände perkutiere kann ich manchmal deine stimme hören.

alles legt sich auf den frostmusterboden meines selbst.

das einzige, was mich wärmt ist der kaffee am morgen.
der dampf, der die rillen meiner fingerspitzen bedeckt
und für einen moment die grabeskälte in mir vertreibt.

interessiert nur Bohnen

Anna Sophia Merwald
1998

der Morgen aus dem Grauen gemahlen
mit einer Haube Milchschaum bedeckt
im trockenen Kaffeesatz von gestern
der heutige Tag aufgedröselt tropft
langsam die Nacht von den Blättern
und das Johlen einer einsamen Katze tanzt
mit der tuckernden Maschine aus ihrem
geifernden Mund Kaffee seine Fäden zieht
seine Schlüsse zieht sich in sich selbst verliert
oh sunny day
dann sticht die Sonne wieder meine
Fragezeichen wach röstet sie meine
Toasts in den Hitzschlag verdreht
sie meinem Ei das Auge in dem Spiegel
Blümeleien aus dem hohen Schaft
zu kurz gehalten zu früh gepflückt
mit Wasser in der Kaffeekanne sich tummeln
um auf dem Tisch zu stehen und zu gehen
knirschend malmen die Zähne weiter Toasts Ei
kauen auf Fingern die Zeitung fett gemacht
Aufgeplatscht! Kaffeefleck auf Söders Gesicht
oh wie er wild erbricht
auf meinen Frühstückstisch
glitzernd tröpfelnd rinnt die dunkle
Brühe herunter perlt der Schweiß ab
von der Sonne auf die Erde nieder
oh sunny day
und Söders braunes Grinsen
interessiert nur Bohnen
immer wieder

Kreuzfeuer (kaffeevollautomatik)

Tom Niklas Pohlmann
1999

zwei hülsen
voll von schwarzpulver
begraben unter bleichen händen
deren eingestürzte kuppen
dem giebel einer ruine glichen

noch warm knisternd
zwirbeln die revolver auf und ab
färben die rillen
der rauen finger am lauf
mit staub und malz

eiserne bohnen
von hellster röstung
gepresst durch den filter
in schallgeschwindigkeit
treffen sie auf augen wie unter koffein

Rauschend in tropfenform
zerbersten die austrittswunde
denn diese bohnen sind nicht dazu erdacht
einen neuen keimling zu säen; nein

sie werden allein mit ihrem zermahlenen werk unter die erde gebracht
// ein begräbnis von bitterem abgang.

Morgenmarathon

Lara Zoe Ritter
1999

Mein Wecker gibt den Startschuss
der Nacht davon
in den Tag hineinzurennen Vergessen
mein Kopf hinter der Linie
der Laufbahn, die wartet, während ich
am Frühstückstisch
den Morgen atme,
Nachtspuren aus meinem Haar bürste
und mit Kaffee in mein Lymphsystem spüle Andere
tragen längst Laufanzüge Meine
Startnummer ist mein Geburtstag,
meinen Körper zwäng ich
ins Gewand 
und streife jede Nacktheit ab Von
Beinen belastet,
die er auf sich genommen hat,
wandelt mein Fuß Vor mir
Läufer mit potenziell erhöhter Geschwindigkeit,
keine Zeit für Zeitungsrituale Sie
ziehen ihre Kreise und ich meinen Rucksack
an, die Zähne weiß und die Reste von gestern
wegpoliert: ein Neuanfang mit gleichem
Ziel, 12 Stunden, 6 Kilometer,
2000 Kilokalorien viel
muss ich verbrennen, damit Heute
nicht haften bleibt,
meine Sohle reibt
sich an den Realitäten
des Kunststoffbodens
Ich renn,
die Schuhe geschnürt
und die Haare frisiert,
weil aus dem Morgen Mittag wird Mein
Handy diktiert
die Stationen am Rande,
das Sitzen in der Klasse
beim Zahnarzt, an der Kasse
Noch bin ich
ganz am Anfang
weil wir die Sonne
den Beginn
und den Mond das Ende
taufen
Ich eil
ihm entgegen damit mein Kopf
zu ihm fliegen
und ich wieder liegen kann
bevor der Startschuss fällt.

Kaffee, Kaffee, Kaffee - morgens, mittags, abends!

Der "Morgen aus dem Grauen gemahlen / mit einer Haube Milchschaum bedeckt / im trockenen Kaffeesatz von gestern", "verführerisch. Ein Geruch lädt ein / verweile, du bist sicher." "zwei hülsen voll von schwarzpulver" vertreiben "für einen moment die grabeskälte in mir". "ich aber / verhänge die fenster fülle das Vakuum / mit dem bitteren Geruch des Kaffees", "damit Heute / nicht haften bleibt".

Vielen Dank für eure Kaffee³-inspirierten Werke im Mai und wir gratulieren herzlich den sechs Gewinner*innen!