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lyrix - Bundeswettbewerb für junge Lyrik logo

Monatsthemen und Gewinner*innen

15-20 Jahre

nicht beugen, nur brechen

Wettbewerb im Februar 2019

Tobias Roth stellt das lyrix-Thema im Februar: „nicht beugen, nur brechen“. Die Zeile stammt aus seinem Gedicht „Antikes Glas“, zu dem er uns auch erzählt, was ihn zum Schreiben inspiriert hat. Was gibt nicht nach, sondern ist nur durch Zerstörung zu besiegen? Schickt uns eure Texte zum Thema! Wir freuen uns!

Antikes Glas

Tobias Roth

Ohne einen Sprung darin,
wie die Vitrine, die es schirmt.
Großes ist längst vernichtet.

Fremd wie alles von außen,
was es zum Schwingen brachte,
wie innen der Wein, das Öl, Mehl,
Verwandtschaft kann ich keine erwarten.

Das Schweigen ist beharrlich,
das, was ich sagen möchte,
was ich sehe, weiß nichts voneinander.

Wie Würfelhocker und kaum Hermen.
Es weiß nur seine Unversehrtheit.
Da lächelt es,
es wird sich nicht beugen, nur brechen,
aber auch das nicht mehr,
während ich hindurchblicke;
geplatzte Adern im Auge, wie ich sehe.

 

(aus: Grabungsplan. Gedichte, Verlagshaus Berlin 2018)

Kämpferisch klingt die Ansage in Tobias Roths Gedicht: „nicht beugen, nur brechen“. Sie schreit: „Ich gebe nicht nach, ihr könnt mich nur besiegen, wenn ihr mich zerstört.“ An wen denkt ihr bei solchen Zeilen? Märtyrer, Freiheitskämpfer, Superhelden, James Bond? Wen oder was beschreibt Tobias Roth mit dieser Aussage in seinem Gedicht? Ist es das „antike Glas“, das im Titel benannt wird, aber im Gedicht nicht mehr namentlich auftaucht? Oder geht es hier noch um etwas ganz anderes?

Schickt uns im Februar eure Gedichte zum Thema „nicht beugen, nur brechen“. Wer oder was leistet solch einen Widerstand, dass man ihn oder es nur durch komplette Zerstörung bezwingen kann? Wir sind gespannt auf eure Texte!

Tobias Roth
wurde 1985 in München geboren, nach Studien in Freiburg und Berlin lebt er wieder in seiner Heimatstadt. Er debütierte 2013 mit dem Gedichtband Aus Waben (Verlagshaus Berlin) und legte seither zahlreiche eigene Titel, Herausgaben sowie Übersetzungen aus dem Italienischen, Lateinischen und Französischen vor. Für seine Arbeit wurde er etwa mit dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis (2013) und dem Bayerischen Kunstförderpreis (2015) ausgezeichnet. 2017 wurde Roth mit einer Studie zur Lyrik der Italienischen Renaissance an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert. 2016 förderte das Bezirksamt Mitte von Berlin einen Text Roths auf den Straßen von Moabit (Häuserzeilen: 1600m Schlämmkreide, Koproduktion mit Sophia Pompéry) und produzierte der Homunculus Verlag Erlangen einen anderen als Tischdecke (Bayerische Biergartenordnung: 100% Baumwolle, Koproduktion mit Julius Walther). 2017 erschienen u. a. die von Roth herausgegebene Anthologie Lob der mechanischen Ente (SuKuLTuR Berlin), der gemeinsam mit Asmus Trautsch und Melanie Möller gestaltete Kommentar zu Ovids Liebeskunst (Galiani Berlin), sowie die Neuübersetzung von Voltaires Der Fanatismus oder Mohammed im Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, zu dessen Gründungsgesellschaftern Roth zählt. 2018 erschienen unter anderem Roths zweiter Gedichtband Grabungsplan (Verlagshaus Berlin), das Langgedicht Grotesken von Sabbioneta (hirundo press Hamburg), sowie die gemeinsam mit Moritz Rauchhaus herausgegebene Sammlung Wohl bekam’s. In 100 Menus durch die Weltgeschichte (Das Kulturelle Gedächtnis Berlin).

Wodurch wurde Tobias Roth zu seinem Text "Antikes Glas" inspiriert?

"Manchmal erblickt man etwas, wie so ein Stück antikes Glas, unerwartet, plötzlich, umwerfend. Der Anblick verfolgt einen, im Gedächtnis, oder auch in Gestalt einer Postkarte aus dem Museumsshop. Dann kommt der Punkt, an dem man den Spieß umdreht und selbst zur Verfolgung des Anblicks übergeht. Mit Gedanken, mit Worten. Es entsteht etwas Neues, das ohne etwas Altes nicht möglich gewesen wäre. Gedächtnis, das nicht nur speichert, sondern auch hervorbringt."

Tobias Roth